Ein Bericht der Agentur ProfiPress (www.mechernich.de) vom 17.02.2012

Böllerschüsse vom Balkon

Sturm auf das Rathaus 2012Leeres Rathaus, voller Rathausplatz: Bürgermeister und Stadtverwaltung haben nach heftigem Wort- und Feuergefecht kapituliert, der Straßenkarneval ist ausgebrochen. Foto: Manfred Lang/pp/agentur ProfiPress

Mechernicher Tradition an Weiberfastnacht: Närrischer Rathaussturm mit Artillerie und Gegenfeuer bis zum Hissen der weißen Fahne - Machtübernahme auch diesmal erfolgreich: Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick wehrte sich erst heftig, streckte aber dann doch die Waffen – Dreigestirn verkündet nach Übergabe der Rathausschlüssel neues „Mechernicher Grundgesetz“

Mit den Worten „Jetzt schlägt`s 13“ hatte Dr. Hans-Peter Schick die Gäste beim Neujahrsempfang der Stadt im Januar scherzhaft begrüßt. Gemeint war, dass Mechernichs Bürgermeister zum mittlerweile dreizehnten Male zu diesem Empfang am Beginn des neuen Jahres eingeladen hatte.

Sturm auf das Rathaus 2012Das schlechte Wetter tat der guten Laune auf und vor der Bühne keinen Abbruch. Foto: ml/pp/Agentur ProfiPress

Ebenfalls zum dreizehnten Male musste das Stadtoberhaupt nun an Wieverfasteloovend vorübergehend für die drei tollen Tage von seinem Amt zurücktreten.

Traditionsgemäß legte der erste Bürger alle diesbezüglichen Befugnisse in die Hände des Dreigestirns. Das jecke Publikum auf dem dicht bevölkerten Rathausplatz jubelte, als Hans-Peter Schick seine Kapitulationserklärung verlas – und die Menge gleichzeitig zum Prosten und zu Alaaf- und Helau-Rufen hinriss. Nein, die 13 war auch bei Schicks 13. Abdankung an Weiberfastnacht keine Unglückszahl.

Sturm auf das Rathaus 2012Die Jecken feierten. Foto: ml/pp/Agentur ProfiPress

Mit großem Tschingderassabum war das aus dem Festausschuss Mechernicher Karneval (FMK), dem KC „Bleiföös“ und der Prinzengarde Mechernich (PGM) bestehende Komitee Mechernicher Karneval vor dem Rathaus aufmarschiert. Neben dem Mechernicher Trifolium waren auch die Dreigestirne aus Eiserfey und Vussem angereist, um beim Rathaussturm Schützenhilfe zu leisten.

Heinz „Addy“ Sechtem, Kommandant der Mechernicher Prinzengarde, die in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen feiert, führte souverän durchs Programm und stellte das Dreigestirn in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Prinz Heinz II. „Hucky“ Krans sei ein Mechernicher Karnevalsurgestein, wohne aber in der Nähe von Düsseldorf und müsse daher „immer das dunkle Bier trinken“, scherzte Sechtem, der seinerseits – wie das Dreigestirn – bemerkenswert gut aufgelegt war.

Sturm auf das Rathaus 2012Ganze Familienbünde waren prächtiger Laune. Foto: Manfred Lang/pp/ Agentur ProfiPress

Jungfrau Volker „Volka“ Nüßmann sei zwar „ne Imitierte“, nämlich ursprünglich aus Duisburg, aber bereits „seit 40 Jahren hier“, befand der Gardegeneral. Dagegen komme Bauer Karl „Charly“ Theißen aus der Bergstraße und sei daher ein „echter Mechernicher“. Als Adjutanten standen dem jecken Trifolium auch bei der Schlacht um die leere Mechernicher Stadtkasse und die symbolischen Rathausschlüssel Friedel Hüllenkrämer und Dieter Schuldt (beide PGM) sowie Marcel Hembach vom Festausschuss Mechernicher Karneval (FMK) zur Seite.

Auf der Bühne vor dem Rathaus knubbelte es sich: Sänger Rainer Schnichels von der PGM Big Band sang sich stimmgewaltig in die Herzen der Karnevalisten, und das Stadttambourcorps Mechernich unter der Leitung von Paul Blum spielte zackig auf, ebenso natürlich die Big Band der Jubiläums-Prinzengarde selbst.

Dann ging es ans Eingemachte: Der Bürgermeister habe sich mit „seinen Söldnern“ im Rathaus verschanzt, behauptete Heinz Sechtem, der in ganz Mechernich nur „Addy“ genannt“ wird. Schlimmer noch: Dieser „Personenkreis“ habe sich bislang geweigert, dem Ansinnen der Karnevalisten nachzukommen. „Pfui!“ rief es aus dem Publikum, dann stellte Sechtem ein Ultimatum: „Das ist die letzte Aufforderung! Der Bürgermeister soll Schätze, Wertpapiere und sonstige Kleinodien abgeben. Nötigenfalls erstürmen wir sonst das Rathaus.“

 

Sturm auf das Rathaus 2012Dann nähern sich Generalissimo Heinz "Addy" Sechtem und seine Truppen dem Rathausplatz. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

So schnell ließ sich das Stadtoberhaupt aber nicht den Schneid abkaufen. Mit gewaltigen Böllerschüssen vom Rathausbalkon machte Schick unmissverständlich klar, dass mit ihm an diesem Tag nicht gut Kirschen essen war.

Kein Wunder: Schon am frühen Morgen hatte seine Sekretärin Martina de Vries ihm mit der Schere den Schlips stark eingekürzt – und der dabei anwesende Vize-Bürgermeister Robert Ohlerth hatte auch noch schallend dazu gelacht . . .


Sturm auf das Rathaus 2012Eine erwartungsfrohe Menge harrt auf dem Rathausplatz der Dinge, die in diesen tollen Tagen geschehen. Foto: Leo Stürmer/pp/Agentur ProfiPress

Angesichts des Gegenfeuers, das Schick nun vom Rathausbalkon auf die Feldartillerie der Prinzengarde eröffnete, hatte „Addy“ gleich mit Kennerblick Ernst Pingen von der Kommerner St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft ausgemacht, der dem Bürgermeister vorsintflutliche Schießeisen anreichte. Folgerichtig „ätzte“ Sechtem in Richtung „Beamtenbunker“: „Schicks Söldner sind wieder im Einsatz – und dann auch noch aus Kommern.“

Das war die Höhe, und es kam, wie es kommen musste: Nach ein paar Knallern aus der Kanone der Rathausstürmer schwenkte Schick plötzlich unter den  Jubelrufen der versammelten Narren doch noch die weiße Fahne. Auf der Bühne tat er dann seine Abdankung kund: „Jungfrau  Volka, Bauer Theißen und der Prinz tut Hucky heißen, nun übernehmt ihr das Geschick, am Bleiberg herrscht Radau und Glück. Drum wird jetzt hier und ohne Zetern bis Aschermittwoch abgetreten.“

Sturm auf das Rathaus 2012Die Feldartillerie der Prinzengarde Mechernich, die diese Session 40jähriges Bestehen feiert, eröffnet das Feuer. Foto: M. Lang/pp/Agentur ProfiPress

Schicks Tipp für die verbleibenden närrischen Tage lautete im Übrigen: „Habet Durst - und meidet Schlaf. Und ruft mit mir ganz laut ‚Alaaf‘!“  Als Trostpflaster für seine verlorene Amtswürde wurde Schick mit dem Orden der PGM und dem des Dreigestirns ausgezeichnet. Ebenfalls auf der Bühne geehrt wurde Heiner Birken, der von 1973 bis 1979 das Amt des PGM-Vorsitzenden bekleidet hatte.

Das Dreigestirn ließ angesichts Schicks bedingungsloser Kapitulation Großmut walten und verkündete für die Zeit bis Aschermittwoch das „Mechernicher Grundgesetz“. Laut dem gilt unter anderem das Gebot der Gastfreundschaft („Drink doch ene met“), keine Angst vor der Zukunft zu haben („Et kütt, wie et kütt“) und aus der Vergangenheit zu lernen („Et hät noch immer jot jejange“). Derartig beschwingt feierten die Jecken den Auftakt des Straßenkarnevals.    

Und das Wetter meinte es auch gut mit den Karnevalisten. „Das ist nicht zu kalt und nicht zu warm“, stellte Heinz „Addy“ Sechtem zufrieden fest. Eines wurde angesichts der tollen Stimmung auf dem Rathausplatz ganz klar: Nieselregen schreckt rheinische Anarchisten überhaupt nicht ab.

Sturm auf das Rathaus 2012Dann kracht es auf der Rathausbalustrade: Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick geht mit Böllerschüssen zum Gegenangriff über. Foto: Leo Stürmer/pp/Agentur ProfiPress

 

 

 

 

 

 

Sturm auf das Rathaus 2012Am Ende standen nahezu alle Dreigestirne und Prinzregenten aus der närrischen Stadt am Bleiberg auf der Bühne. Foto: ml/pp/Agentur ProfiPress